Die Dreipunktewertung der Jugendliga soll das Nichtantreten bzw. das Freilassen eines Brettes möglichst unattraktiv machen: Statt dem sonst üblichen Punkt pro Einzelsieg werden drei Punkte pro Spiel vergeben: Ein Sieg gibt drei Punkte, ein Unentschieden zwei Punkte, und der Verlust einer gespielten Partie wird immerhin mit einem Punkt belohnt. Normalerweise führt das dazu, dass selbst deutlich unterlegene Spieler allein durch ihre Anwesenheit für die Mannschaft von Bedeutung sind. Wenn man allerdings 1,5 Stunden nach Xanten fahren muss, um „sowieso“ zu verlieren, die Zeit bis zum Ende des Mannschaftskampfes abzusitzen und dann den gleichen Weg nochmal zurück zu fahren, verliert diese Motivationsidee stark an Bedeutung. 😉
Wir traten also nur zu fünft an; ich spielte mit Weiß an Brett 5 von 6 – neben mir saß Richard, der auf gutem Weg ist, in einigen Jahren spielstärketechnisch an mir vorbei zu rauschen.
Ich spielte eine komische Eröffnung, die ich wohl bald ersetzen werde; dementsprechend hatte ich große Startschwierigkeiten und musste mir mühsam erst einmal eine ausgeglichene Stellung erarbeiten. Jens spielte an Brett 1 gegen sich selbst – zumindest, wenn man nur die Vornamen auf dem Partieformular ansah. Die >1800 DWZ seines Gegners hielten ihn aber nicht davon ab, sich eine bessere Stellung und die Möglichkeit eines Remisangebots zu verschaffen; ein Brett weiter spielte Jan bereits auf Sieg. Es sah gut für uns aus.
Meine eigene Partie ließ derweil zu wünschen übrig:
Ich hatte schon über eine Stunde Zeit verbraucht, mein Gegner überlegte nur halb so lange. Mit spielender Leichtigkeit schien mich mein Gegner in Schach zu halten; dafür gewann Richard nun seine Partie. Als ich zu Edgars Brett hinüber sah, sah die Partie ziemlich ausgeglichen aus; Jan stand auf Gewinn. Mir fehlte die Zeit, um Jens‘ Partie genauer zu analysieren – zumindest war dort das Material ausgeglichen.
Mit ca. 40-50 Minuten auf der Uhr rannte ich dann schnell zur Toilette, um nicht zu viel Zeit zu verlieren. Mein Gegner hatte anscheinend den gleichen Gedanken: Je schneller er jetzt zog, desto mehr Zeit würde ich durch meine Abwesenheit verlieren. Zumindest ist das die einzige Erklärung, die ich für den Zug habe, den ich sah, als ich wieder zurück kam:
Ob das tatsächlich der Grund war, weiß ich natürlich nicht. Es kann aber durchaus sein, dass ich genau zum richtigen Zeitpunkt kurz weggegangen bin. Schach hat zwar keinen in den Regeln festgelegten Glücksfaktor, aber dadurch, dass Menschen dieses Spiel spielen, kann man eben doch „Glück“ haben. Ein paar Stunden zuvor hatte ich auf „Viel Glück“ noch scherzhaft geantwortet, das gebe es beim Schach nicht.
Trotzdem blieb meine Partie spannend; dass ich langsam in Zeitnot geriet, machte meine Situation nicht leichter. Hinter mir gewann Jan seine Partie; Edgar hatte inzwischen einen Bauern weniger, schien sich aber gut halten zu können. Jens stand gut; ein Remisangebot an dieser Stelle hätte den Mannschaftskampf vielleicht gerettet. Allerdings ist es verständlich, dass er diese bessere Stellung gegen einen stärkeren Gegner unbedingt in einen Sieg verwandeln wollte. Es schien auch durchaus darauf hinaus zu laufen.
Ein Turmtausch leitete meine Partie in ein Endspiel mit Mehrspringer über:
Die Partien von Jens und Edgar wollte ich mir eigentlich noch einmal ansehen, aber die 40-Züge-Grenze war in Sicht. Zeitnot machte sich bemerkbar, während mein Gegner in aller Ruhe mit über einer Stunde Bedenkzeit seine Züge planen konnte. Glücklicherweise…
…nutzte er diese Gelegenheit…
…nicht. Die Springergabel kostete ihn seinen zweiten Läufer, und ich hatte die Möglichkeit, mit meinen Springern eine unüberwindbare Barriere für den schwarzen König zu bilden:
Er entschied sich dazu, mit seinem König auf dem Damenflügel anzugreifen. Ein Wettrennen um die Umwandlung begann; mit sieben Minuten auf der Uhr erreichte ich endlich den vierzigsten Zug. Meine Springer entschieden nun die Partie:
Die Stunde Zusatzzeit für den Rest der Partie hätte wohl ausgereicht, um diese Stellung zu gewinnen. Das fand auch mein Gegner, der noch 41. … gxh5 spielte und aufgab.
Edgar verlor leider auf Zeit; Jens schrieb mir auf dem Rückweg noch, dass er leider verloren hatte. So entschied tatsächlich der eine fehlende Punkt im Dreipunktesystem den ansonsten unentschiedenen Kampf:
11:12 statt 3:3 => Sieg für SK Xanten 1. Passiert. 😉